Vergiftungen

Unter einer Vergiftung (Intoxikation) versteht man die plötzliche oder längerfristige Einwirkung von Substanzen, die für den Körper schädlich sind. Dabei können die Stoffe über den Verdauungstrakt, über die Lunge, über die Haut, durch Injektionen oder kombiniert aufgenommen werden. Verlauf und Schweregrad hängen von der Substanz und Dosis ab, aber auch von der Dauer der Einwirkung und dem Aufnahmeweg.

Es wird zwischen einer Selbsteinbringung (Substanzen werden mit Absicht genommen), Fremdeinbringung (z.B. vorsätzliche Schädigung, Mord) und akzidentiellen Selbst-/Fremdeinbringung (vom engl. Wort accident abgeleitet) unterschieden. Beim letztgenannten Fall kann die Einbringung z.B. durch Verwechslung, kindliche Neugier oder versehentliche Überdosierung stattfinden.

Die Besonderheit bei Vergiftungen im Vergleich zu anderen Erkrankungen ist, dass es keine typischen (Leit)symptome gibt. Aufgrund der zahlreichen Vergiftungsmöglichkeiten gibt es auch eine Vielzahl an Symptomen.

Besonderes Augenmerk bei Vergiftungen liegt bei der Anamnese (= Vorgeschichte, Krankengeschichte). Diese beinhaltet z.B.:

  • die Auffindesituation (wo?) Ein Weinkeller oder ein Silo kann z.B. auf eine KohlendioxidVergiftung (=CO2-Vergiftung) hindeuten

  • was? Bei Tabletten ist der Name bzw. der Wirkstoff zu eruieren. Ist die Packung leer, ist immer vom maximalen Packungsinhalt auszugehen. Ansonsten ist die Stückzahl herauszufinden.

  • wie viel? Hier ist herauszufinden, wie viel von einem Stoff dem Körper zugeführt wurde. Die Dosisangaben können bei nicht zählbaren Mengen in Schluck angegeben werden.

  • wie? Aufnahmewege: oral, über die Lunge, als Injektion, etc.

  • wann? Versuchen, den (ungefähren) Aufnahmezeitpunkt der Substanz zu bestimmen

  • warum? Welche Beweggründe gibt es? Absichtlich, unabsichtlich?

Wichtig ist auch, das (vermutete) Gift bzw. Verpackungen mitzunehmen und Speichel, Urin, Blut, etc. in ein Behältnis zu geben und sicherzustellen. Eine Mitnahme ins Krankenhaus kann erwägt werden.

! Tipp !

Bei einem Vergiftungsnotfall kannst du dir die W-Fragen auf einem Zettel aufschreiben (wenn zeitlich möglich) und so schon viele Informationen für den Notarzt sammeln - das spart Zeit und es kann früher mit der adäquaten Therapie begonnen werden. Weiters kann über die Vergiftungsinformationszentrale (VIZ) z.B das Antidot (=Gegengift) erfragt bzw. das weitere Vorgehen besprochen werden. Die Nummer der VIZ lautet 01 406 4343

Symptome bei Vergiftungen

Symptome können bei Vergiftungen sehr vielfältig ausprägt sein. Bei Mischvergiftungen (z.B. Alkohol und Drogen) können mehrere Organsysteme betroffen sein. Nachfolgende Symptome können beispielsweise auftreten:

  • Veränderungen der Haut: Verätzung, Rötung, Jucken

  • Störung im Verdauungstrakt: Übelkeit, Erbrechen, Schmerzen im Rachen

  • Störung der Bewusstseinslage: Verwirrtheit, Erregungszustände, Patient ist stark schläfrig, Bewusstlosigkeit

  • Störung der Atemfunktion: Atemnot, Steigerung und Verminderung der Atemfrequenz, Atemstillstand

  • Störung der Herz-Kreislauf-Funktion: Blutdruckanstieg oder Blutdruckabfall, Veränderung der Pulsfrequenz, Blässe, Atem-Kreislauf-Stillstand

Die sanitätshilflichen Maßnahmen bzw. die Therapie haben symptomatisch zu erfolgen, das heißt die Symptome werden beobachtet und danach richtet sich die Behandlung.

Praktisches Vorgehen bei Vergiftungen

  • Anamnese inkl. der W-Fragen

  • körperliche Untersuchung: Hautfarbe, Beobachtung der Atmung (flach, beschleunigt, etc.), sonstige Auffälligkeiten (Einstichstelle, Rötungen, etc.), auffälliger Atemgeruch, etc.

  • Monitoring: spO2, RR, Beurteilung des Herzrhythmusses, Blutzuckermessung (zum Ausschluss einer Blutzuckerentgleisung!), evtl. EKG

  • Gift oder Körpersekrete sicher stellen (und bei Bedarf ins KH mitnehmen)

  • eventuell Rücksprache mit VIZ halten

! Beachte !

Sollte beim Eintreffen noch ein Giftkontakt bestehen, muss dieser sofort unterbrochen werden! Dabei z.B. in Gift getränkte Kleidung ausziehen, Mund ausräumen, Pat. an die frische Luft bringen, etc. ACHTUNG: Eigenschutz vor Fremdschutz! Auf die persönliche Schutzausrüstung (PSA) achten!

Wenn die Giftaufnahme oral erfolgt ist, kein Erbrechen herbeiführen! Beim Transport empfiehlt sich bei der Möglichkeit des Erbrechens die prophylaktische Seitenlage (auf die versorgungstechnisch günstigere Seite).

Symptome/ klinisches Erscheinungsbild

  • Alkohol (Ethanol): Bewusstseinseinschränkung, Übelkeit, Rausch, Koma

  • Pflanzenschutzmittel: Pupillenverengung, gesteigerter Speichelfluss, Bradykardie, Somnolenz, Krampfanfälle

  • schaumbildende Substanzen (z.B. Waschmittel): Atembeschwerden, Aspiration, Husten

  • Reizgase: Schleimhäute gerötet/verrußt, Schmerzen hinter dem Brustbein, Atembeschwerden, Bewusstseinsstörungen

  • Opiate (z.B. Heroin, morphinhältige Medikamente): Pupillenverengung, Verlangsamung der Atmung bis Atemaussetzer, Hypoxie, Lungenödem, Somnolenz bis Koma, Hypothermie

  • Paracetamol (z.B. Mexalen-Tabletten): Schwindel, Erbrechen, Bauchschmerzen

  • Kohlenmonoxid (=CO-Vergiftung): Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, kirsch-/hellrote Hautfarbe und im späteren Verlauf zyanotisch, Steigerung der Atemfrequenz
    ACHTUNG: Pulsoxymeter liefert falsch positive Werte!

  • Methanol (= Methylalkohol; häufig bei selbstgebrannten Schnäpsen): Rausch, Sehstörungen, schwere Azidose

  • β-Blocker (=Medikamente zur Senkung der Herzfrequenz bzw. zur Senkung des Sauerstoffverbrauchs des Herzens; sehr häufige Medikation; z.B. Beloc, Carvedilol, Concor (Bisoprolol), etc.) -> Tipp: Medikamente, deren Wirkstoffe auf -lol enden sind meist Betablocker: Bradykardie, Somnolenz bis Koma, Hypoglykämie, Herz-Rhythmusstörungen

  • Kokain: Weitstellung der Pupillen, Hypertonie, Erregtheit

  • Amphetamine (Ecstasy): Erregung, Euphorie, Halluzinationen, Hypertonie, Tachykardie, Übelkeit, Kopfschmerzen

  • Kohlendioxid (CO2-Vergiftung):Tachykardie, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, RR-Anstieg oder -abfall

Resümee

Anhand der Aufzählung ist ersichtlich, dass Vergiftungen sehr unterschiedlich in der Symptomatik sein können. Eine eindeutige Zuordnung der Symptome ist in vielen Fällen nicht möglich. Jedoch gibt es für einige Vergiftungsarten typische Symptome (fett geschrieben). Eine umfassende Anamnese sowie eine Beobachtung und evtl. sogar Auskundschaftung des Umfeldes sind extrem wichtig. Informationen von Angehörigen oder Freuden können oft weiterhelfen. Die Therapie bzw. die zu setzenden Maßnahmen erfolgen symptomatisch und können etwa die Seitenlagerung bei Übelkeit oder Erbrechen, die Sauerstoffgabe, das Beruhigen des Patienten, das Retten aus einer Gefahrenzone, die Kontrolle der Lebensfunktionen oder die Reanimation umfassen. Bei der Unterbindung der Giftzufuhr, der Beseitigung von Giftresten oder der Rettung aus einer Gefahrenzone ist unbedingt auf den Selbstschutz zu achten (Maske, Schutzbrille, Handschuhe, etc.).